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November 2025: Auflösungsantrag des Arbeitnehmers wegen außergerichtlicher Verhaltensweisen des Arbeitgebers

Auflösungsantrag des Arbeitnehmers wegen außergerichtlicher Verhaltensweisen des Arbeitgebers - LAG Köln, Urteil vom 26.06.2025 – 6 SLa 117/25


Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz im Wesentlichen noch über die von der klagenden Arbeitnehmerin beantragte Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

Die Arbeitgeberin beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Die klagende Arbeitnehmerin war seit dem 13.11.2018 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60 und seit dem 10.11.2022 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom 15.08.2024 kündigte die beklagte Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2024.Vorausgegangen waren Trennungsgespräche zwischen den Parteien. In diesem Zusammenhang hat die Arbeitgeberin der Arbeitnehmerin einen Entwurf eines Aufhebungsvertrages vorgelegt, der im Ergebnis nicht unterzeichnet worden ist.

Mit der sodann anschließend rechtshängigen Kündigungsschutzklage hat sich die Arbeitnehmerin gegen die ausgesprochene Kündigung gewandt. Inhaltlich ließ sich die Arbeitgeberin hierauf weitestgehend nicht ein und erkannte den Kündigungsschutzantrag an. Nachdem die klagende Arbeitnehmerin ursprünglich neben dem Kündigungsschutzantrag auch eine Weiterbeschäftigung beantragte, stellte diese nach Anerkennung durch die Arbeitgeberin ihren Klageantrag dahingehend um, nunmehr festzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis durch das Arbeitsgericht unter Zusprache einer entsprechenden Abfindung gleichwohl aufgelöst werde.

Zur Begründung führte die Arbeitnehmerin aus, dass ihr die Arbeitgeberin mit Intention des Abschlusses des außergerichtlichen Auflösungsvertrages unrichtigerweise versichert habe, die Bundesagentur für Arbeit verhänge bei Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen keine Sperrzeit. Daneben sei ihr auch geraten worden, den Abwicklungs- oder Aufhebungsvertrag nach Unterzeichnung gar nicht erst der Bundesagentur vorzulegen. Dies sei nach Auffassung der Arbeitnehmerin höchst unseriös. Gleichfalls unseriös sei das mit dem Aufhebungsantrag unterbreitete Abfindungsangebot in Höhe von 200 €. In den besagten Gesprächen sei sie massiv durch die Arbeitgeberin unter Druck gesetzt worden.

Das erstinstanzliche Arbeitsgericht hat anschließend unter anderem festgestellt, dass die streitgegenständliche Kündigung vom 15.08.2024 das bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe und die beklagte Arbeitgeberin verpflichtet sei, die klagende Arbeitnehmerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag zu unveränderten Bedingungen zu beschäftigen. Den weiter gestellten Auflösungsantrag der Arbeitnehmerin hat dieses jedoch zurückgewiesen.

Hiergegen wandte sich die Arbeitnehmerin im Weiteren dann mit der eingelegten Berufung.

Die Berufung der Arbeitnehmerin blieb in der Sache ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht teilte die Auffassung des erstinstanzlichen Arbeitsgerichts. Dieses habe den Auflösungsantrag zutreffenderweise zurückgewiesen und verwies mit Blick auf die Begründung weitestgehend auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts. Zwar sei die Kündigung - zumindest auch - sozialwidrig gewesen. Gleichwohl sei der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht unzumutbar im Sinne von § 9 KSchG. Das Angebot der Vertragspartnerin, einen Auflösungsvertrag abzuschließen, sei gerade kein Auflösungsgrund. Gleiches gelte, sofern das Angebot gegenüber einer möglicherweise dauerkranken Arbeitnehmerin unterbreitet werde. Auch der Umstand, dass keine nennenswerte Abfindung angeboten worden sei, sei weder unseriös noch irgendwie vorwerfbar. Dies gelte ebenfalls für den vorgebrachten Vorschlag, den Aufhebungsantrag, wäre er unterschrieben worden - nicht der Bundesagentur für Arbeit vorzulegen.

Im Ergebnis wies das Landesarbeitsgericht insofern darauf hin, dass die vorgenannten Beispielsfälle die Intensitätsschwelle einer unseriösen Verhaltensweise der Arbeitgeberin mit Blick auf einen Auflösungsantrag nicht rechtfertige.

Die vorliegende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist durchaus zu begrüßen und reiht sich weitestgehend in die hiesige Regelungsthematik ein. Die Rechtsprechung sieht das Kündigungsschutzgesetz weiterhin primär - wie auch nach Intention des Gesetzgebers - als Bestandsschutzgesetz und gerade nicht als Auflösungstatbestand. Zwar besteht dem Grunde nach die Möglichkeit, das Beschäftigungsverhältnis nach § 9 i.V.m. § 10 Kündigungsschutzgesetz einseitig nach Antrag des Arbeitnehmers durch das erkennende Arbeitsgericht aufheben zu lassen und im Gegenzug den Arbeitgeber zur Zahlung einer entsprechenden Abfindung zu verurteilen. Die Schwelle hierfür ist weiterhin hoch angesiedelt. Arbeitgeber sollten daher dem Grunde nach nicht verunsichert sein, sofern ein Arbeitnehmer im Rahmen eines laufenden Arbeitsgerichtsprozesses nach zuvoriger Gegenstandsloserklärung einer Kündigung gerade nicht die begehrte Klagerücknahme erklären, sondern weiter versuchen über den gestellten Auflösungsantrag Druck aufzubauen.

Sollten die Mitgliedsunternehmen in dieser Hinsicht Fragen oder Unterstützungsbedarf sehen, stehen die Juristen des Arbeitgeberverbandes Oldenburg gerne zur Verfügung.

Autor*in

Verbandsjurist

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)

Dr. Horst Röben

horst.roeben@agv-oldenburg.de